impressionen aus bayrischzell
Während der vergangenen Nächte ist in den Hochlagen der umliegenden Berge der erste Schnee gefallen. Die gute Wetterprognose für den Tag zieht uns zu einer kleinen Tour hinaus. Auf dem Programm steht der Kleine Unterberg, der mit seinen 1.530m Höhe zu den niedrigeren Erhebungen der Traithengruppe zählt, knapp vor Wirtshöhe (1.401m) und Sudelfeldkopf (1.439m). Der oberste Abschnitt des Aufstiegs zum bzw. des Abstiegs vom einsamen Gipfel zwischen Großem Traithen und Trainsjoch erfolgt dabei weg- und markierungslos über grasiges – heute teils schneebedecktes - Weidegelände.
Unser Ausgangspunkt ist die Einmündung des Nesseltals ins Ursprungtal, rund 6km südlich von Bayrischzell. Bei der Anfahrt via Leitzachtal oder Sudelfeld biegt man in Bayrischzell von der Alpenstraße in Richtung Landesgrenze / Landl ab und folgt der Tiroler Straße durch das Ursprungtal. Man passiert die Wanderparkplätze am Sillberg und am Stocker sowie das Mitte Dezember wieder eröffnende Gasthaus Zipflwirt. Auf Höhe der Strein-Alm zweigt nach links der – für den öffentlichen Verkehr gesperrte – Fahrweg ins Nesseltal ab. Zwischen Tiroler Straße und Waldrand gibt es begrenzte Parkgelegenheiten. Wer via Ursprungpass aus Tirol kommt, biegt etwa 1km nach dem Grenzübertritt rechts ab.
Das Nesseltal bildet eine der weitesten Zustiegsrouten zum Brünnsteinhaus, der wir bis zum Kleinen Unterberg folgen werden. Wir starten auf 839m Seehöhe und tauchen auf dem geschotterten, anfangs sachte ansteigenden Forstweg in den Wald ein.
Der Weg führt in östlicher Richtung – immer entlang eines breiten, derzeit ausgetrockneten Bachbetts, das in einem Graben verläuft – ins Nesseltal. Wir passieren die linkerhand auf rund 900m gelegene Nesselalm mit dem Forsthaus Nesslerhütte, über dem der Gipfelgrat des Großen Traithen thront. Nach der Querung des Bachbetts steigt der Forstweg in Richtung Talschluss deutlich steiler an und vollzieht nach rund 1 Stunde Gehzeit in etwa 1.100m Höhe einen scharfen Knick nach links. Nach wenigen hundert Metern endet der Fahrweg an einer Wendestelle und geht in einen mit angenehmer Steigung aufwärts führenden Bergpfad über.
Auf circa 1.200m leitet uns ein mit Holzstufen ausgebauter Steig nach links in kleinen Serpentinen steil bergauf. Rechterhand können wir zum Trainsjoch-Gipfel blicken. Es folgt ein felsiger Gelände-Einschnitt, in dem sich der Pfad erneut verengt. Im Bereich einer Rinne verläuft der Steig ein kurzes Stück ausgesetzt entlang rechtsseitiger Steilabbrüche. Tief unter uns liegt das klammartige Bachbett. Anschließend zieht der Steig entlang des bewaldeten Südosthangs des Kleinen Unterberg hoch zu einem Bachgraben mit kleinem Wasserfall und Gumpe. Nach einem Überstieg erreichen wir auf 1.260m den Wirtsalmsattel zwischen Kleinem Unterberg und Wirtshöhe (Gehzeit bis hierher rund 1,5 Stunden).
Rechterhand zweigt der mit weiteren 2 Stunden Gehzeit ausgeschilderte Aufstiegsweg zum Trainsjoch ab. Wir orientieren uns stattdessen im ebenen Wiesengelände nach Osten in Richtung Wirtsalm, die auf rund 1.239m Höhe liegt. Bevor wir auf diese treffen, leitet uns der Wegweiser zum Brünnstein(haus) schräg links den Berghang hinauf. Nach einer kurzen Waldpassage mit erneutem Überstieg über einen Weidezaun stoßen wir auf eine Viehtränke. An dieser schwenkt der durch deutliche Trittspuren erkennbare Pfad nach links und führt uns steil im Zick-Zack über freie Almwiesen bergwärts.
Rechterhand rücken die Hütten der Steilen-Alm (1.320m), der Höhenweg zu den Himmelmoosalmen und der Brünnstein ins Blickfeld, geradeaus der Grat zwischen Großem Traithen, Unterberger Joch und dem auch als Steintraithen bezeichneten Steilner Joch.
Auf der Anhöhe an der östlichen Flanke des Kleinen Unterbergs angekommen verlassen wir den Pfad, der hinunter zu den Gebäuden der Unterberg-Alm führt, an einer hölzernen Wegmarkierung. Wir schwenken nach links und steigen weg- und markierungslos über offenes Weidegelände den Bergrücken in westlicher Richtung hinauf.
Wenige Minuten später und insgesamt 2 Stunden nach dem Start erreichen wir den höchsten Punkt auf 1.530m Seehöhe. Der Kleine Unterberg liegt vergleichsweise zentral in der Traithengruppe. Der kreuzlose Gipfelbereich ist wenig ausgeprägt und unspektakulär, eher ein licht bewachsener Gupf. Vor allem nach Westen verdeckt der Baumbestand die Fernsicht. Nach Osten und Süden bietet sich bei schönem Wetter jedoch ein herrliches Bergpanorama. Wir blicken auf das imposante Traithenmassiv, Brünnsteinschanze, Rotwandlspitz, Brünnstein, Brünnberg, Kaisergebirge und Trainsjoch. Dahinter glitzern die schneebedeckten Zinnen des Alpenhauptkamms. Im Nahbereich wird die Aussicht durch die Graskuppe der Wirtshöhe sowie den links angrenzenden Abschluss des Gießenbachtals geprägt.
Wir überschreiten das Gipfelplateau in Richtung des Sattels zwischen Kleinem Unterberg und dem mit 1.828m deutlich höheren Unterberger Joch. Wir können dabei linkerhand über die bewaldete und steil ins Nesseltal abfallende Südwestflanke hinunter zu unserem Ausgangspunkt blicken. Beim weg- und markierungslosen Abstieg über den grasigen Kamm ist nun im Westen auch die Bergwelt zwischen Schönfeldjoch, Hinterem Sonnwendjoch, Kreuzberg, Auerspitz und Rotwand erkennbar. Darunter verlaufen das Kesselboden- und Kloo-Ascher-Tal, beides ebenfalls Seitentäler des Ursprungtals.
Vom aussichtsreichen Sattel (rund 1.500m) steigen wir in wenigen Minuten ohne Schwierigkeiten über den Grasrücken nach rechts zu den drei idyllisch auf 1.445m liegenden Hütten der Unterberg-Alm hinunter. Die Bergweiden der sogenannten “Hirschlacke” bilden das Quellgebiet des Gießenbachs, der im weiteren Verlauf mehrere Schluchten, darunter weit unten im Tal die bekannte, bei Kiefersfelden gelegene Gießenbachklamm ausbildet.
Von der Unterberg-Alm führt ein befahrbarer Almweg über die Steilen-Alm zur Himmelmoosalm und weiter zum Brünnsteinhaus (Gehzeit rund 1,5 Stunden). Wir orientieren uns heute allerdings in die Gegenrichtung. Auf einem teils tief ausgetretenen Pfad marschieren wir in einem weiten Bogen am Fuß der nördlichen und östlichen Gipfelflanke des Kleinen Unterbergs zunächst wieder einige Höhenmeter hinauf bis zu dem Markierungspfahl, an dem wir beim Aufstieg vom Pfad zum Gipfel hin abgebogen sind. Die kleine Abstiegsrunde über die Unterberg-Alm hat rund 30 Minuten in Anspruch genommen.
Links unter uns, an den in Richtung Gießenbach schroffer abfallenden Hängen, entdecken wir ein Rudel Gämsen, das sich ungestört über die Schneefelder hinweg talwärts bewegt.
Nachdem wir die Gämsen eine zeitlang beobachtet haben, setzen wir den Abstieg auf der vom Hinweg bekannten Route fort. Diese deckt sich auch mit dem vorletzten Wegstück unserer Sommerwanderung zum Großen Traithen und Steilner Joch.
Im Talschluss des Nesseltals erleben wir noch eine seltene Begegnung. Zum ersten Mal in unserer Region sichten wir einen Steinbock in freier Wildbahn. Der kapitale Bock, der offenbar zu der Population zählt, die vor Jahrzehnten von der Familie Sachs im Brünnsteingebiet angesiedelt wurde, durchstreift eine Klamm auf der Nahrungssuche. Nachhaltig beeindruckt marschieren wir weiter talwärts. Rund 45 Minuten nach dem Antritt des Heimwegs erreichen wir wieder den breiten Nesseltal-Forstweg, weitere 45 Minuten später sind wir zurück am Ausgangspunkt gegenüber der Strein-Alm. Insgesamt waren wir heute knapp über 4 Stunden unterwegs.
Eine kurze Tour auf einen einsamen Wiesen- und Waldgipfel mit Gamswild- und Steinbock-Erlebnis !
Günter Etschel │ ALMVOLK
Hinweis: Die Benutzung der beschriebenen Wege erfolgt stets auf eigene Gefahr.