impressionen aus bayrischzell
Bevor der Almsommer bald zu Ende geht, steht nochmals unser Hausberg auf dem Tourprogramm. Der 1852m hohe Große Traithen ist knapp höher als der Wendelstein und damit der Hauptgipfel im östlichen Teil der Bayerischen Voralpen. Wir wählen den ruhigen und schattigen Aufstieg auf der Westroute vom Ursprungtal aus, überschreiten den Großen Traithen sowie die Gratnachbarn Unterberger Joch und Steilner Joch und wandern am Fuß des Traithenmassivs über die Himmelmoosalm und das Nesseltal zurück.
Unser Ausgangspunkt ist der “Stocker”-Parkplatz im Ursprungtal, rund 4km südlich von Bayrischzell. Bei der Anfahrt via Leitzachtal oder Sudelfeld biegt man in Bayrischzell von der Alpenstraße in Richtung Landesgrenze / Landl ab und folgt der Tiroler Straße durch das Ursprungtal. Der kostenpflichtige Wanderparkplatz an der Stocker-Diensthütte liegt auf der linken Seite. Wintersportlern ist die Gegend als schneesicheres Langlaufzentrum mit weitläufigem Loipennetz zwischen Bäckeralm, Kloo-Ascher-Tal und Bayrischzell bekannt. Wer via Ursprungpass aus Tirol kommt, biegt etwa 3km nach dem Grenzübertritt entsprechend rechts ab. Der Tagesparkschein kostet 3,00 Euro und ist am Kassenautomaten zu lösen.
Der Große Traithen ist am Parkplatz mit 3 Stunden Gehzeit ausgeschildert. Wir starten auf 831m Seehöhe und folgen dem geschotterten, bergwärts führenden Forstweg. Nach rund 100 Metern orientieren wir uns an der ersten Abzweigung nach links. Der Weg zieht sich anfangs quer und mäßig steil in nördlicher Richtung den Hang entlang, danach geht es über mehrere Kehren östlich hinauf. Im Wald gewinnen wir zunehmend an Höhe, gelegentlich können wir linkerhand hinunter auf das (in Kürze wieder eröffnende) Gasthaus Zipflwirt bzw. hinüber zum Schönfeldjoch und Hinteren Sonnwendjoch blicken.
Nach rund 30 Minuten Gehzeit endet der breite Fahrweg auf rund 1.100m und geht in einen schmalen Pfad über, der nun deutlich steiler am Trockenlettengraben bergauf führt. Auf dem Steig wechseln lehmige und steinige Wegabschnitte mit grasigen Passagen auf Waldlichtungen. Bei feuchten Wetterverhältnissen sind hier rutschfestes Schuhwerk und Trittsicherheit gefordert.
Schließlich verlassen wir an einem Gatter den Bergwald. Wir marschieren an einem Brotzeitplatz mit Marterl vorbei, durchschreiten links schwenkend eine Baumruppe und können dann über uns schon die Fellalm erkennen. Über einen Wiesenhang, der an einigen Stellen etwas morastig ist, steigen wir direkt zum Almgebäude hinauf. Für die ersten 800 Höhenmeter Wegstrecke haben wir knapp über 2 Stunden benötigt.
Die Fellalm liegt in offenem Gelände auf 1.621m Höhe unterhalb des Fellalm-Sattels. Während der Weidesaison bekommt man bei der Almerin eine Brotzeit (zum Beispiel Schnittlauchbrot, Ziegenfrischkäse- oder Speckbrot, Kuchen) und Getränke. Vom Bankerl vor der urigen Almhütte aus kann man die Bergwelt im Westen, vom Hinteren Sonnwendjoch über Kreuzberg, Auerspitz und Rotwand bis zum Bayrischzeller Seeberg überblicken. Unser Tagesziel, der Große Traithen-Gipfel, thront südlich über uns.
Nach kurzem Halt an der Fellalm folgen wir der Wegspur hinauf zum grasigen, langgezogenen Fellalm-Sattel (1.645m). Von vorne mündet an einem Drehkreuz der von der Rosengasse über den Traithenkessel herauf führende Pfad ein. Nach links könnte man in rund 20 Minuten - zunächst am Sattel entlang und dann durch ein lichtes Waldstück hinauf – auch zum Kleinen Traithen (1.722m) gelangen und einen Tiefblick auf Bayrischzell werfen. Dieser ist auch vom Sudelfeld via Vogelsang erreichbar. Wir heben uns den Abstecher zum Kleinen Traithen aber für eine andere Tour auf und orientieren uns am Fellalm-Sattel nach rechts.
Trittspuren führen uns über Weidegelände direkt auf die dicht mit Latschen bewachsene Flanke des Großen Traithen zu. Auf felsigem Untergrund geht es nun durch ausgeschnittene Schneisen in fast direkter Linie den steilen Gipfelhang hinauf. Dabei sind einige schrofige Felsstufen und glatte Rinnen zu überwinden. Insbesondere bei Nässe ist erhöhte Vorsicht und ein Minimum an Kletterfertigkeit geboten, auch wenn es kaum ausgesetzte Stellen gibt. Der Schulterblick läßt erahnen, welch tolles Panorama uns auf dem Gipfel erwartet.
Rund 40 Minuten nach der Fellalm erreichen wir nach insgesamt fast 3-stündigem Aufstieg das Gipfelkreuz auf 1.852m. In südlicher Richtung blicken wir weit ins 1.000 Höhenmeter tiefer liegende Ursprungtal Richtung Tirol hinein, auf den gegenüber liegenden Seiten ins Leitzachtal und auf das Sudelfeld. Über den Großen Traithen verläuft auch die Grenze zwischen den Landkreisen Rosenheim und Miesbach bzw. den Gemeinden Kiefersfelden und Bayrischzell.
Die Fernsicht reicht im Süden vom Kaisergebirge bis zu den Firngipfeln der Zentralalpen mit Großglockner, Großvenediger und Zillertaler Alpen. Im Nahbereich dominieren Breitenstein, Wendelstein und Wildalpjoch im Norden, der Brünnstein im Osten sowie Trainsjoch, Kaisergebirge, Hinteres Sonnwendjoch, Rotwand und Seeberg im weiteren Verlauf des Rundumblicks. Wir können zudem den Grat überblicken, der sich über das Unterberger Joch bis zum Steilner Joch (oft auch Steintraithen genannt) fortsetzt.
Auch wenn man sich angesichts des großartigen Panoramas kaum satt sehen kann, brechen wir schließlich zum nächsten Tagesziel auf. Wir
steigen nicht auf der Aufstiegsroute ab, sondern überschreiten den Gipfelaufbau des Großen Traithen nach Osten. Auf dem latschenbewachsenen Verbindungskamm marschieren wir auf das unscheinbare
Unterberger Joch zu, eine Gratschulter auf halber Strecke zwischen Großem Traithen und Steilner Joch. Der schmale, aussichtsreiche Pfad gehört sicherlich zu den schönsten Gratwegen der Region.
Anfangs kurzzeitig etwas exponiert verläuft er weitgehend südlich des Kamms, zuletzt mit kurzem Gegenanstieg aus einer Senke. Linkerhand blicken wir in den Traithenkessel, eine tiefe Mulde mit
den Überresten der ehemaligen, seit langem verfallenen Fell-Alm. Rechterhand liegt weit unter uns die Unterberg-Alm. Auch der Rückblick zum Großen Traithen ist lohnend.
Vom 1.828m hohen Unterberger Joch zum Steilner Joch führt der von Latschen flankierte Weg ebenfalls am sanften Grat entlang. Zunächst steigt man erneut leicht in die Einsattelung zwischen den beiden Erhebungen ab, um dann wieder moderat hinauf zu marschieren. Rund 1 Stunde nach dem Großen Traithen erreichen wir den dritten Gipfelpunkt. Anders als das Unterberger Joch ziert das Steilner Joch bzw. den Steintraithen ein Gipfelkreuz aus Metall, aufgestellt auf einem kleinen latschenfreien Plateau auf 1.747m.
Ein nördlich vom Steilner Joch abzweigender Seitengrat trennt den Traithenkessel von der Seeonalm mit ihrem kleinen Almsee. Wir blicken hinüber zum Sudelfeld mit dem Walleralm-Speichersee, hinunter zur Rosengasse, auf Brünnsteinschanze und Rotwandlspitz, den Brünnstein-Gipfel mit der kleinen weißen Kapelle sowie auf weite Teile der Bergwelt entlang des Inntals bis hin zum Kaisergebirge. Südlich unter uns ist die Steilen-Alm zu sehen.
Vom Steilner Joch kann man über die schroffe Nordflanke auch in Richtung Rosengasse absteigen, wir erreichen die beschilderte Verzweigung kurz nach dem höchsten Punkt. Wir setzen unseren Weg jedoch nach Südosten in Richtung Himmelmoosalm / Brünnstein fort. Der felsige Steig bietet eine herrliche Aussicht auf das Brünnsteinmassiv und das Gießenbachtal. Er schlängelt sich jedoch auch steil und durchaus anspruchsvoll talwärts. Bald geht das Latschengelände in lichten Wald über und der Wegverlauf in der Südflanke des Steilner Grats wird flacher. Wir queren eine alte Steinmauer, die als Weidebegrenzung diente, wenden uns nach rechts und steigen über locker bewaldetes Almgelände, in dem der Pfad undeutlicher wird, ab. Kurz vor den ersten Gebäuden der Himmelmoosalm – malerisch auf einer Hochfläche auf 1.328m unterhalb des Brünnsteins gelegen - stoßen wir nach etwa 1-stündigem Abstieg vom Steilner Joch auf einen aus Richtung Seeonalm kommenden Forstweg. Diesem folgen wir 100 Meter nach rechts bis zu einer Wegkreuzung mit einem großen Schilderbaum.
Das nahezu ganzjährig bewirtschaftete Brünnsteinhaus (www.bruennsteinhaus.de) kann man von hier aus via Himmelmoosalm in 30 bis 45 Minuten Gehzeit erreichen. Nachdem uns noch ein mehrstündiger Heimweg bevorsteht, verzichten wir heute auf den Einkehr-Abstecher. Dem Wegweiser ins Nesseltal folgend wenden wir uns nach rechts. Der breite Wirtschaftsweg führt uns erst flach, dann leicht ansteigend durch ein kleines Wäldchen und über freies Weidegelände in rund 20 Minuten bis zur Steilen-Alm (1.320m). Hier können wir linkerhand das Quellgebiet des Gießenbachs überblicken, dahinter zeichnen sich die Felsenmassive des Zahmen und Wilden Kaisers am Horizont ab.
Wir spazieren zwischen den Gebäuden der Steilen-Alm hindurch. Auf einem nun wieder etwas stärker ansteigenden Abschnitt des Höhenwegs passieren wir eine kleine Kapelle und erreichen etwa 30 Minuten nach der Steilen-Alm die Hütten der Unterberg-Alm (1.445m). Rechterhand blicken wir hoch zum Unterberger Joch. An der sogenannten “Hirschlacke” unterhalb des Sattels zwischen dem Kleinen Unterberg und dem Unterberger Joch endet der Fahrweg.
Auf einem Bergpfad marschieren wir in einem Bogen über Weidegelände an der östlichen Flanke des Kleinen Unterbergs zunächst wieder einige Höhenmeter hinauf. Vor uns werden der Brünnberg, die Wirtshöhe und das Trainsjoch sichtbar. Der Wanderweg führt nun im Zick-Zack einen steilen Grashang hinunter, direkt auf die Wirtsalmen zu. Bevor wir diese erreichen, biegen wir an einer Viehtränke weg- und markierungslos nach rechts ab und folgen den nur schwach erkennbaren Trittspuren durch ein kurzes Waldstück schräg hinunter zum Wirtsalmsattel (Gehzeit ab Unterberg-Alm rund 30 Minuten).
Auf 1.260m Seehöhe wenden wir uns nach rechts und folgen dem nun wieder deutlicheren Pfad in Richtung Nesseltal. Die kurz darauf nach links abzweigende Aufstiegsroute zum Trainsjoch ignorieren wir. Nach einem Überstieg passieren wir einen kleinen Wasserfall und queren auf einem schmalen und stellenweise leicht ausgesetzten, aber gut begehbaren Steig die Hänge des Kleinen Unterbergs.
Im Talschluss des Nesseltals vollzieht der Pfad an einer felsigen Rinne (Bacheinschnitt) einen scharfen Knick, bevor wir auf dem teils mit Holzbalken gestuften Steig steiler absteigen. Auf circa 1.100m trifft der Steig auf einen breiten Forstweg, der unterhalb des Trainsjochs mit angenehmem Gefälle rund 3km im Mischwald talauswärts führt. Auf halbem Weg kreuzen wir das meist ausgetrocknete, im Talboden verlaufende Bachbett. Wir passieren die rechtsseitig gelegene Nesselalm (mit Forsthaus Nesslerhütte) und erreichen rund 1,5 Stunden nach der Unterberg-Alm auf etwa 840m unweit des Ursprungpasses die Einmündung vom Nesseltal ins Ursprungtal.
Auf Höhe der gegenüber liegenden Streinalm überqueren wir die Tiroler Straße, orientieren uns nach rechts und marschieren auf dem Wanderweg bergab in Richtung Bayrischzell. Der Weg, der grundsätzlich parallel zur Tiroler Straße verläuft, sich streckenweise aber von ihr entfernt, führt durch Waldstücke, über freie Wiesen und am frisch renovierten Gasthaus Zipflwirt vorbei. Rechterhand können wir nochmals hinauf zum Großen Traithen blicken.
Bei einem großen Wasserfall, an dem auch der Fahrweg zum Sillberghaus abzweigt, überqueren wir erneut die Tiroler Straße, um zum Parkplatz zu gelangen (Gehzeit ab Eingang Nesseltal rund 30 Minuten). Nach insgesamt knapp 7,5-stündiger Wanderung sind wir zurück am heutigen Ausgangspunkt.
Eine durchaus anspruchsvolle Bergtour mit grandiosem Gratweg und zahlreichen urigen Almen !
Günter Etschel │ ALMVOLK
Hinweis: Die Benutzung der beschriebenen Wege erfolgt stets auf eigene Gefahr.