Majestätischer Gipfelstürmer
Der Alpensteinbock ist vor allem wegen seines stämmigen, kräftigen Körpers und der gewaltigen Hörner bekannt. Die säbelförmigen, nach hinten gekrümmten Hörner der Böcke erreichen Längen von bis zu 1m und ein Gewicht von bis zu 15kg. Im Winter wächst das Horn nicht, dadurch entsteht eine schmale Kerbe, anhand derer man das Alter des Tieres ermitteln kann. Das Gehörn der Geißen dagegen ist nur wenig gebogen und deutlich kürzer.
Böcke haben im Sommer ein dunkelbraunes Fell, das der Weibchen ist mehr rötlich. Im Winter wird das Fell beider Geschlechter dichter und gräulich. Männchen tragen einen Ziegenbart.
Wie die Gämsen sind die Steinböcke echte Kletterkünstler. Der „König der Alpen“ lebt bevorzugt in steilem und felsigem Gelände oberhalb der Baumgrenze und steigt bis in Höhen von 3.500m auf. Die Wintereinstände liegen tiefer und an südexponierten Hängen, an denen sich weniger Schnee festsetzt. Steinböcke ernähren sich als Vegetarier hauptsächlich von Gräsern, Kräutern, Knospen, Latschen und Weichhölzern, im Winter auch von Flechten, Moosen und Baumrinden.
Alpensteinböcke sind sehr sozial und leben in Herden mit klarer Rangordnung zusammen, wobei sich die Geschlechter allerdings nicht vermischen. Erst in der Paarungszeit treffen die Böcke auf die Verbände der Geißen mit ihren Kitzen. Erwachsene Steinböcke haben praktisch keine natürlichen Feinde und können 15 bis 20 Jahre alt werden.
Kein anderes Hochgebirgs-Tier wurde in früheren Zeiten in Sage, Aberglaube und Volksmedizin so mystifiziert wie der Steinbock. Nahezu alles Verwertbare des Steinbocks setzte man als Medizin gegen verschiedene Krankheiten ein, was fast zum Aussterben der Art in Europa führte. Anfang des 19. Jahrhunderts war der Steinbock im gesamten Alpenraum ausgerottet, bis auf etwa 100 Tiere im privaten Jagdgebiet Gran Paradiso des italienischen Königs Vittorio Emanuele III im Aostatal. Dank erfolgreicher Schutz- und Wiederansiedlungsprogramme konnte sich der Steinbock aus diesem Restbestand inzwischen wieder in weiten Teilen seines ursprünglichen Lebensraums verbreiten. Alle rund 30.000 bis 40.000 heute in den Alpen lebenden Steinböcke stammen von diesen 100 Tieren ab. Ein Großteil davon bevölkert die Schweizer Hochgebirge, kleinere Populationen gibt es in Österreich und Deutschland.
Günter Etschel │ ALMVOLK